22.10.2025 | „Europa muss strategisch denken – Sicherheit, Klima und Wettbewerbsfähigkeit gehören zusammen“
Mit seiner EU-Ratspräsidentschaft setzt Dänemark klare Akzente für Europas Zukunft. Im Exklusivinterview erläutert Thomas Østrup Møller, Botschafter des Königreichs Dänemark in Deutschland, warum eine europäische Strategie nötig ist, die grüne Technologien, digitale Souveränität und Entbürokratisierung miteinander verbindet. Europa müsse unabhängiger von Energieimporten und globalen Lieferketten werden – und zugleich seine industrielle Stärke sichern.

“Grüne Transformation ist Wettbewerbsfähigkeit. Das hat Dänemark schon längst bewiesen.” Thomas Østrup Møller, Botschafter des Königreichs Dänemark in Deutschland
Dänemark hat seine EU-Ratspräsidentschaft unter das Motto „A Secure, Green and Competitive Europe“ gestellt. Wie interpretieren Sie dieses Leitmotiv, und welche Botschaft senden Sie damit in die EU?
Diese Prioritätensetzung soll vor allem Europa fit für die Zukunft machen. Hierbei ist es einerseits ausschlaggebend, dass wir unsere Sicherheit stärken und uns bald eigenständig verteidigen können. Andererseits müssen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern, damit wir auch zukünftig auf dem Weltmarkt mithalten können. Hierzu gehört auch ganz entscheidend die grüne Transformation. Denn in Dänemark sind wir fest davon überzeugt, dass Wettbewerbsfähigkeit und die grüne Transformation keine Gegensätze sind, sondern Hand in Hand gehen. Unsere Botschaft an die EU ist hiermit: Lass uns ein starkes, zukunftsfähiges Europa gestalten, das in einer Welt im Wandel bestehen kann!
Welches Projekt der Ratspräsidentschaft sehen Sie als den wichtigsten Beitrag, um Europas Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken?
Unser Hauptbeitrag besteht darin, Entbürokratisierung und Digitalisierung zu unterstreichen – und dass ein wettbewerbsfähiges Europa auch ein grünes Europa ist. Unserer Ansicht nach ist es kein Nachteil für die Wettbewerbsfähigkeit Europas, wenn wir sicherstellen, dass unsere Bemühungen mit den Klimazielen der EU interagieren. Wir wollen daher die Rechtsvorschriften deutlich vereinfachen, ohne die politischen Ziele zurückzunehmen.
Die grüne Transformation ist also ein Kernanliegen der Ratspräsidentschaft. Wie verbinden Sie ambitionierte Klimaziele mit der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie? Und wie sollte die EU den Zugang zu kritischen Rohstoffen und bezahlbarer Energie sichern?
In Dänemark sagen wir nie grüne Transformation oder Wettbewerbsfähigkeit. Wir sagen: Grüne Transformation ist Wettbewerbsfähigkeit. Das hat Dänemark schon längst bewiesen: Durch die grüne Transformation haben wir neue, wettbewerbsfähige Industrien und zigtausende neue, nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen. Spätestens aber hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt, dass Europa von Energieimporten unabhängiger werden muss – und das geht nur mit erneuerbaren Energien. Zum Thema kritische Rohstoffe: Mit dem Critical Raw Materials Act hat die EU bereits die Grundlage für eine nachhaltige und krisenfeste Versorgung von kritischen Rohstoffen geschaffen. Es gilt also nun, die Exploration in Europa zu stärken, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Nur so kann Europa nachhaltig unabhängiger und wettbewerbsfähiger werden.
Entbürokratisierung und Bürokratieabbau sind viel diskutierte Themen. Welche Maßnahmen sollte die EU priorisieren, um den Binnenmarkt wettbewerbsfähiger und innovativer zu machen, gerade für KMU?
Regeln und Anforderungen müssen sinnvoll und nicht einfach Mittel ohne Zweck sein – und insbesondere für KMU müssen wir darüber nachdenken, wie viel Berichterstattung notwendig ist. Wir müssen daher Lösungen finden, bei denen wir Regeln horizontal denken und Überschneidungen vermeiden. Eine Vereinfachung und leichtere Umsetzung von Vorschriften können auch durch Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung erreicht werden. Dies gilt sowohl für Behörden als auch für die Unternehmen, die die gesetzlichen Vorgaben in den Verwaltungsprozessen und bei der Berichterstattung einhalten müssen. Die Erfahrungen aus Dänemark zeigen, dass ein hoher Digitalisierungsgrad Unternehmen eindeutig den Alltag erleichtert.
Dänemark ist Vorreiter bei digitaler Verwaltung. Welche Erfahrungen kann Europa übernehmen, um die digitale Modernisierung europaweit voranzubringen?
Ich glaube, ein wichtiger Erfolgsfaktor ist hier unser kooperativer Ansatz. Es werden gemeinsame Visionen für Staat, Regionen und Gemeinden entwickelt, und die Lösungen werden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erarbeitet. Dabei werden die Bürger auch mitgenommen. Diese Transparenz ist A und O für eine gelungene Digitalisierung, weil es hier im hohen Maße auch um Vertrauen geht.

“Es gibt einfach keine Alternative zu einem starken Europa, im dem die europäischen Nationen eng zusammenstehen.”
In der Handelspolitik setzt Dänemark auf Offenheit und neue Partnerschaften mit Asien, Afrika und Lateinamerika. Wie kann die EU ihre globale Wettbewerbsfähigkeit durch eine nachhaltige und geopolitisch ausgewogene Handelspolitik stärken?
Meiner Ansicht nach kann die Europäische Union vor allem ihre globale Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem sie eine nachhaltige und geopolitisch ausgewogene Handelspolitik verfolgt, die auf offenen Märkten, fairen Regeln und resilienten Lieferketten basiert. Durch strategische Partnerschaften, Förderung grüner und digitaler Innovationen sowie Diversifizierung minimiert die EU gleichzeitig Abhängigkeiten und schafft zukunftsfähiges Wachstum.
Die deutsch-dänische Zusammenarbeit in GreenTech und Digitalisierung hat bereits viele Erfolge hervorgebracht. Wo sehen Sie zusätzliches Potenzial und neue Schwerpunktfelder, um diese Partnerschaft weiter zu stärken und Impulse für ganz Europa zu setzen?
Wir sind vor kurzem eine formelle Partnerschaft mit dem Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung eingegangen, damit Deutschland und Dänemark gemeinsam für die digitale Souveränität Europas arbeiten können. Mehrere Bundesländer haben spannende Initiativen im Bereich der öffentlichen Digitalisierung gestartet, und wir sehen Potenzial für eine verstärkte Zusammenarbeit.
Angesichts neuer Bedrohungen wie Drohnenangriffen und Angriffen auf IT-Netzwerke wie jüngst in Dänemark: Wie bewerten Sie die Sicherheitslage in Europa und welche Maßnahmen sollte die EU ergreifen?
Dass Dänemark und Europa zunehmend heftigen und häufigen hybriden Angriffen ausgesetzt sind, ist eine neue Realität: Drohnen, Cyberangriffe, Desinformation, Einflusskampagnen und so weiter. Unabhängig von der Methode ist das Ziel dasselbe: Man möchte unsere Gesellschaft destabilisieren und das Vertrauen in unsere Behörden untergraben. Dies unterstreicht, dass die Sicherheitsbedrohung für Europa ernst und greifbar ist.
Wir können hier feststellen, dass es in erster Linie ein Land gibt, das eine Bedrohung für die Sicherheit Europas darstellt – und das ist Russland. Kein europäisches Land kann sich allein gegen Russland verteidigen. Aus diesem Grund haben wir unser NATO-Bündnis. Und aus diesem Grund bauen wir die europäische Verteidigungsindustrie aus. Europa muss sich rüsten, denn wir dürfen uns niemals einschüchtern lassen.
Was bedeutet Europa für Sie persönlich, und welche Botschaft möchten Sie den Menschen vermitteln?
Die Europäische Union bedeutet für mich Zusammenarbeit, Frieden und gemeinsames Handeln über Grenzen hinweg. Seit über 30 Jahren arbeite ich mit EU-Politik, und heute – in dieser zentralen Rolle während der dänischen Ratspräsidentschaft – sehe ich täglich, wie wichtig Einigkeit, Dialog und gemeinsame Werte für die Zukunft Europas sind. Persönlich ist Europa einerseits mein Zuhause: Ich spüre, dass wir hier in Europa dieselben Werte teilen. Aber gleichzeitig ist Europa auch immer mehr unsere Garantie in einer Welt, in der die Geopolitik immer mehr Platz einnimmt. Es gibt einfach keine Alternative zu einem starken Europa, im dem die europäischen Nationen eng zusammenstehen.